Wer kennt Sepp Parzinger?
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungsozialisten (JUSOS) war beim SPD-Ortsverein Bad Endorf zu Gast. Sein Thema: „Digitales Zeitalter und sozialpolitische Verantwortung“
Der SPD-Ortsverein Bad Endorf, unter Mitwirkung des SPD-Kreisverbandes Rosenheim-Land, hatte den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JUSOS am 19.10.2019 zu einem Diskussionsabend in den Landgasthof „Bauernwirt“ eingeladen.
Zu Beginn der Veranstaltung erhoben sich die Veranstaltungsbesucher zu Ehren des, an diesem Tag verstorbenen, SPD-Urgesteins Erhard Eppler.
Der Vorsitzende des Ortsvereins, Uwe Görlitz, und der stellvertretende Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Rosenheim Land, Sandro Kotte, führten in Eingangsstatements in das Thema des Abends ein. Sie wiesen auf den Einfluss der sozialen Medien in der Politik hin. Politiker wie Donald Trump, Boris Johnson, Jair Bolsonaro und andere Populisten nutzen die sog. sozialen Medien zur Einflussnahme. Ein Wandel der Lebenswelt ist im digitalen Zeitalter allseits spürbar. Es geht darum, die Gefahren, die dieser Wandel mit sich bringt, zu bekämpfen und die Chancen zu nutzen. Die SPD sieht es als ihre Aufgabe, eine gerechte Zukunft im digitalen Zeitalter zu gestalten.
Wer kennt Sepp Parzinger? Niemand? Wenige? Schade!
Sepp Parzinger wurde von den Zuhörern als ein Junger Mann wahrgenommen, der in der Politik etwas bewegen will und kann. Er hat die Gabe, Menschen mitzunehmen auf dem Weg zur Gestaltung einer sozial gerechten Gesellschaft.
Der 26-jährige gebürtige Traunsteiner ist gelernter Bankkaufmann. Nach seinem Studium im Fach „Soziale Arbeit“ nahm er 2019 in Berlin eine Tätigkeit als Sozialarbeiter auf. Dort kümmert er sich u.a. um Wohnungslose. Politische Erfahrungen sammelte er in verschiedenen Wahl- und Parteiämtern. Schwerpunkte seines Vortrages waren u.a. die Zukunft der Arbeitswelt/Ausbildung, der Einfluss der sozialen Medien in der Politik, aber auch Grundsicherung, höhere Mindestlöhne, bezahlbarer Wohnraum und Vermögenssteuer.
Digitalisierung …
… ist der Wandel von einer analogen, in eine digitale Welt.
… bietet Chancen, birgt aber auch Risiken.
… lässt sich nicht bremsen.
… führt zu Verhaltensänderungen in der Gesellschaft.
… verändert Informationsangebote.
… erfordert, dass Parteien stärker in den sozialen Medien präsent sind.
„Arbeit“ ist eines der zentralen Themen der SPD in der digitalen Welt. Es besteht die Gefahr, dass durch Digitalisierung von Arbeit prekäre Arbeitsverhältnisse gefördert werden („Entrechtete“ z.B. durch Scheinselbständigkeiten). Parzinger spricht sich dafür aus, die Tarifbindung (Gewerkschaften) zu stärken und Betriebs-/Personalräte zu fördern. Er schließt nicht aus, bestimmte Arbeitsverhältnisse gesetzlich verbieten zu lassen, um „digitales Tagelöhnertum“ (z.B. Clickworking) zu unterbinden.
Die Veränderung der Arbeits-/ Berufswelt durch die Digitalisierung wird an Bedeutung zunehmen. Traditionelle Berufe werden sich ändern. Arbeitsplätze werden wegfallen aber auch neue Arbeitsplätze werden entstehen. Um den Veränderungen gewachsen zu sein und auf dem veränderten Arbeitsmarkt bestehen zu können, betont Parzinger, muss das Recht auf Weiterbildung und Qualifizierung erheblich gestärkt werden. Weiterbildung muss auch für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer möglich und selbstverständlich sein.
„Die Arbeitslosenversicherung muss durch eine Arbeitsversicherung ersetzt werden“, sagt Parzinger. Dem bedingungslosen Grundeinkommen als Alternative für Arbeitsplätze, die durch Digitalisierung wegfallen, erteilt er aber eine Absage. „Jeder hat ein Recht auf Arbeit!“
Zur Sicherung von Arbeit muss über Arbeitszeitverkürzungen nachgedacht werden. Die, durch die Digitalisierung mögliche Flexibilisierung von Arbeitszeiten in manchen Berufen darf nicht zu einer Ausweitung der Arbeitszeiten führen. Die tariflich und gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten dürfen durch digitale Arbeit nicht überschritten werden.
Parzinger spricht sich für eine Stärkung der dualen Berufsausbildung aus. Ausbildungsvergütungen müssen angemessen gestaltet werden. Die JUSOS setzen sich für die Schaffung einer Mindestausbildungsvergütung ein. Außerdem fordert er, dass Betriebe, die sich nicht an der Berufsausbildung beteiligen, durch eine Ausbildungsumlage an den Ausbildungskosten beteiligt werden. Positive Beispiele gibt es bereits seit langer Zeit im Baugewerbe.
Ein Zweiklassensystem bei den Sozialversicherungen hält Parzinger nicht für angemessen und wird sich für entsprechende Angleichungen einsetzen. Er beklagt des Weiteren die Ungleichheit in der Vermögensverteilung. Über Änderungen, z.B. bei der Erbschaftssteuer oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer muss unbedingt nachgedacht werden.
Die Herausforderungen der Digitalisierung kosten Geld. Es werden höhere Investitionen in die Schaffung sozialer Gerechtigkeit erforderlich. Er bezweifelt, dass die sog. „schwarze Null“ zu halten ist, wenn man den Herausforderungen gerecht werden will. „Die schwarze Null sollte nicht als Selbstzweck gehalten werden.“
Nach den Ausführungen des Referenten hatten die Zuhörer reichlich Gelegenheit, zur Diskussion.
Es wurde beklagt, dass Deutschland beim Ausbau einer digitalen Infrastruktur (z.B. 5G-Netz) weit hinter anderen Ländern zurücksteht. Parzinger sieht die Schaffung einer digitalen Infrastruktur als Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wirtschaftskonzerne denken in erster Linie an die Maximierung der Unternehmensgewinne und werden vorrangig dort agieren, wo Gewinne zu erzielen sind. Der ländliche Raum, so die Befürchtung, wird dabei erheblich vernachlässigt. Er spricht sich dafür aus, den Ausbau digitaler Infrastrukturen in die Verantwortung der öffentlichen Hand (Bund, Länder, Kommunen) zu geben, um die Grundversorgung zu sichern.
Weitere Themen, nicht nur im Zusammenhang mit der Digitalisierung, wurden ausführlich und engagiert diskutiert. Die interessierten Zuhörer quittierten Parzingers interessante Ausführungen mit anhaltendem Applaus.
In der fast dreistündigen Veranstaltung ist es ihm gelungen, die Zuhörer zu fesseln und für die Themen der Digitalisierung unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit zu interessieren.
Wer kennt Sepp Parzinger?
Sepp Parzinger! Man sollte sich den Namen merken! Darüber waren sich alle Besucher der Veranstaltung einig.
Im Namen des SPD-Ortsvereins Bad Endorf und des SPD-Kreisverbandes Rosenheim-Land dankte der OV-Vorsitzende Uwe Görlitz dem Referenten.
Reinhard Schumacher
Foto: Werner Witt